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Weshalb die ersten Bewohner wahre Pioniere waren

Erste Pioniere

Buchschlag im Jahr 1906. Der Verkauf von Grundstücken in der Kolonie verläuft schleppend. Gerade 25 Parzellen sind veräußert und davon erst 19 bebaut. Auch die Häuser, die die Baufirma Korb auf eigenes Risiko errichtet, warten noch auf Interessenten. Wer überhaupt kaufen darf, entscheidet die großherzogliche Dominialverwaltung. Die Wenigen, die schließlich nicht nur wollen, sondern auch dürfen, sehen sich in den ersten drei Jahren der Besiedlung großen Problemen ausgesetzt. Die Baukosten für ihre Villen übersteigen durch die strengen Vorgaben der Dominialverwaltung das geplante Budget erheblich.

„Durch den weitgehenden Einfluss, den man künstlerisch hochbegabten Herren auf die Gestaltung der Villenkolonie gestattet hat, ist die Buchschlaggesellschaft an den Rand des Ruins gebracht worden. – Durch den Einfluss der Herren Künstler wurde bewirkt, dass die ersten Bewohner und Unternehmer viel zu teuer gebaut haben. Herr Straßheim wollte M 60 000 ausgeben, seine Anlage kostete ihn mehr als M 100.000. Herr Bachem musste statt M 25 000 M 40 000,- verzinsen. Auch Herr Geheimrat Brennecke klagt, dass er viel zu teuer wohnt.“

Jakob Latscha an die Großherzogliche Dominialverwaltung, Brief vom 30. Juli 1907

Immerhin sind die Parzellen selbst billig: die 1 Mark pro Quadratmeter ist konkurrenzlos gegenüber den meist dreimal höheren Baulandpreisen im Taunus. Dafür ist die Umgebung trostlos. Auf dem gerodeten Gelände der Siedlung ragen nur noch wenige Bäume einsam heraus. Doch sie gehören nicht automatisch den Käufern der Grundstücke. Die Dominialverwaltung verkauft sie den Neubürgern auf Wunsch zu einem niedrigen Preis. Die Häuser sind herrlich, die Umstände primitiv. Befestigte Wege und gepflasterte Straßen gibt es hier mitten im Wald nicht. Ständig laufen die Bewohner in dickem Schlamm herum. Die Kinder finden es wunderbar, müssen aber oft kräftig mithelfen. Sie jäten Beete und hüten Hühner. Schulen sucht man hier auch vergeblich. Immerhin bietet eine private Vorschule im Kirchweg 8 Unterricht für 22 Kinder an.

Da die Dominialverwaltung die rechtliche Organisation einer Gemeindestruktur verzögert, herrschen in Buchschlag Wild-West-Zustände. Alles muss selbst organisiert werden. Einen politischen oder organisatorischen Überbau gibt es noch nicht. Ebenso wenig wie eine Kanalisation, eine Feuerwehr, eine Polizeistation, eine Post, einen Einkaufsladen. Alle Lebensmittel und Alltagsgüter müssen mit der Bahn aus Frankfurt oder zu Fuß und per Fuhrwerk aus Sprendlingen geholt werden.

Sogar auf Wasser-, Abwasser- und Gasleitungen müssen die ersten Pioniere bis zum Jahr 1907 warten, Stromleitungen erreichen erst um 1920 die Waldsiedlung. Es bleibt den Bewohnern nichts anderes übrig, als ihr Frischwasser aus einem Brunnen zu schöpfen. Die großzügigen Gärten werden vor allem zur Selbstversorgung genutzt. Die wohlhabenden Einwohner bauen Obst und Gemüse an, sie halten Hühner, Enten und Gänse, sogar Ziegen. Mitten in einem architektonisch „künstlerisch und malerisch“ gestalteten, hochherrschaftlichen Villenensemble... Es waren eben wahre Pioniere damals, in den ersten drei Jahren der jungen Kolonie im Wald.

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