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Wieso die Villenkolonie auch eine Künstlerkolonie ist

Künstlerkolonie

"Mein Land Hessen blühe und mit ihm die Kunst."

Großherzog Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt

In ihrer mehr als hundertjährigen Geschichte hat die Villenkolonie schon einigen bedeutenden Künstlern ein Heim geboten. Hier formulierten Schriftsteller ihre Werke, hier schufen bildende Künstler Gemälde und Skulpturen, hier frönten Musiker ihrer Leidenschaft für Klassik, Jazz oder Rock, hier lernten Schauspieler ihre Texte und hier planten Konzertagenten die Tourneen ihrer Stars. Und hier pflegten zwei echte Originale eine innige Feindschaft: der Großschriftsteller Rudolf G. Binding und der „Maler der Schwalm“ Emil Beithan.

„Ich war mitten in Deutschland, nahe der großen und geordneten Stadt Frankfurt in eine kommunalpolitische Wildnis geraten. Hier war, trotz einer Siedlung von damals achtzig netten und wohnlichen Landhäusern, nicht Dorf, nicht Flecken, nicht einmal Gartenstadt. Dieser Ort war – und man hatte ein schlotterndes, unfestes, grenzen- und gesetzloses Gefühl, wenn man sich davon überzeugen wollte – nicht mehr als ein flüssiges, ungeformtes Gemeindeeiweiß, bestensfalls ein Eidotter ohne Schale: Es war eine sogenannte ‚freie Gemarkung‘.“

Rudolf G. Binding: „Aus der Vorgeschichte einer Gemeinde“, in „Erstes Morgenblatt der Frankfurter Zeitung“ vom 1. Januar 1929

Binding (1867 – 1938) kam 1910 nach Buchschlag und wurde 1913 zum ersten Bürgermeister der jungen Gemeinde gewählt. In den zwanziger Jahren galt er neben Thomas Mann als einer der wichtigsten Autoren des deutschen Großbürgertums. In seiner Buchschlager Zeit schuf er die meisten seiner Werke, darunter die noch heute gelesene „Reitvorschrift für eine Geliebte“. Der elitäre Autor war nicht bei allen Buchschlagern beliebt. Annemarie Happ erinnert sich an den berühmten Nachbarn so: „Wir haben Binding immer ‚die Stinkmorchel‘ genannt. In seinem Garten wuchsen viele Stinkmorcheln, deren Geruch uns Kinder beim Spielen sehr belästigte“. Sein größter Feind war der Kunstmaler Emil Beithan (1878 – 1955).

Beide wohnten im Kohlseeweg. Wenn der hochgewachsene Binding aus Nr. 1 im eleganten grauen Gehrock dem gedrungenen Beithan aus Nr. 15 mit rotem Bart, Knickerbocker und Kneippsandalen begegnete, herrschte selbst in Buchschlag dicke Luft. Beithan liebte es nämlich, Karikaturen von Binding zu zeichnen, eine hieß „Hamlet in Buchschlag“. Und zu einer anderen dichtete er:

„Auf seinem Bett im Mondenschein / saß einst R.G.B. ganz allein, / er sinnt und kunnt’s nicht fassen / wozu er rinnt der Mondenschein / sein Geist hat ihn verlassen.“ Die innige Feindschaft von „Herrn Bi.“ und „Herrn Be.“ amüsierte die ganze Nachbarschaft.

Heute schätzen die Künstler der Villenkolonie einander. Gemeinsam stellen sie unter dem Dach der „Dreieicher Kunsttage“ ihre Werke aus. Bekannte bildende Künstler haben sich in der Waldgemeinde angesiedelt: Vom Beckmann-Meisterschüler Alfred Nungesser (1903 - 1983) über Tobias Ballweg, Barbara Beisinghoff, Gloria Brand, Robert Kögel bis zu Jonas Weichsel spannt sich der Bogen der bildenden Kunst in Buchschlag.

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